Von der Kostbarkeit, jedem meiner Tage ein Gesicht zu geben.
Ich beschreibe täglich meine Tage. Ich lasse sie im Nachgang noch einmal lebendig werden, in dem ich sie niederschreibe. Das ist mal mühsam, mal normal und oft auch sehr erhellend und nahrhaft, fast wie die täglichen Mahlzeiten. Und dabei ist es weniger die Aufzählung der Dinge, die ich getan habe. Sie sind eher nur wie die Schnur, an der ich mich entlang hangele.
Immer wieder frage ich mich auf dem Weg des Nachgehens:
Was war gut an diesem Tag?
Welche Hürden lagen auf dem Weg?
Welche Begegnungen waren enthalten?
Und von welcher Qualität waren diese Begegnungen erfüllt?
Was habe ich gelernt?
Wo bin ich gewachsen und ein Stück mehr als gestern noch?
Meist am Ende des Schreibens finde ich für den Tag dann eine Überschrift, die ich oben vor den Text einfüge.
Und das ist wahrlich nicht immer einfach.
Finde einen Satz, ein Wortgeflecht, was in einer Zeile Schriftart 14 Deinen Tag in seiner Essenz trifft!
Häufig ist der letzte Satz, der sich direkt im Schreibfluss als Abschluss und Substrat findet ein Satz, wo ich spüre:
Jepp, das ist er, das ist der Satz, der es trifft. Und muss nur mehr copy and paste zu Hilfe bitten, damit er auch oben landet.
Jetzt gerade wäre es:
Dem Tag das Treffende entlocken!
Was diese Gewohnheit erfordert, damit sie nicht im Normalen, Alltäglichen und einfach beschreibend Wiederkäuenden stecken bleibt? Ich glaube, es ist die absolute und schonungslose Ehrlichkeit, die ein Tagebuch erst authentisch macht und spannend.
Alles, aber wirklich alles zu erwähnen.
Jedem Detail seinen Wert der scheinbaren Unscheinbarkeit einräumen!
Fast wie ein Detektiv, der mit einer großen Spürnase, Akribie und Aufmerksamkeit den Tatort des Leben dieses Tages absucht und die Spuren und Details zu einem Bild zusammen setzt. Ich nehme dabei auch die Spuren auf, die nicht zu sehen sind mit den Augen. Echos von Regenbögen, die sich im Laufe des Tages gezeigt haben für Sekunden und Momente. Der unendliche Geist erinnert so Vieles jenseits der Erinnerung des begrenzten Gehirns.
Wenn ich bei der Spurensuche feststelle, dass es öde, beschissen, mühsam und trist war, dann beschreibe ich genau das.
Wenn es einfach nichts Verwertbares gab, wird es nur ein Absatz und die Überschrift lautet:
Absolut nichts Verwertbares!
Und ebenso ist es wert und voll, eine schöne Begebenheit oder eine tiefe Erkenntnis in all ihren Details und Feinheit oder auch rohen Natur zu beschreiben. Nichts zurückhalten, alles, was DU an diesem Deinen Tag finden kannst mitnehmen und Dich dabei voll reinknien. Das ist das, was Leben und Entwicklung darin ausmacht.
Und dann lautet die Überschrift vielleicht:
Mehr als ich fassen kann... und so geil!
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