Was ist wirksam und was hilft im Strudel unserer Welt?
Epilog (und in eigener Sache) Ich habe diesen Beitrag in seinen Grundzügen bereits 2019 geschrieben und lese ihn heute im Licht der Entwicklung der letzten 2 Jahre. Ich stelle fest, dass viele der genannten Aspekte und Indizien sich mit der coronischen Spaltung und nun aktuell der neuen Russland-Welt-Spaltung noch viel mehr verdeutlicht und verschärft haben. Daher macht es nun mehr als Sinn, diese Ideen nach einer Zeit des "Abhängens" wirklich zu teilen. Aktueller denn je, leider! Dass ich in diesem Zusammenhang von Virus und Impfstoff schreibe, war eine wirklich hellsichtige Vorwegnahme und ist dementsprechend nur ein WortZufall, oder nicht ? ;-)
Thesen
Behauptung:
Ein Konflikt hat begonnen und ist seit dem Jahrtausendwechsel im Gange. Man könnte ihn auch als Bürgerkrieg über Staatsgrenzen hinweg bezeichnen. Sein Schauplatz ist die virtuelle Welt, das gesamte Netz. Die Schlachtfelder sind alle Kommunikationsebenen wie soziale Netze und Foren, Mails und Chatgruppen aber auch die sogenannten klassischen Medien. Die Frage ist, wann dieser Konflikt so physisch wird, dass ich ihn als solchen vor meiner Haustür auch wahr nehme?
Frage:
War evtl. das Gleichgewicht des Schreckens im Kalten Krieg ein stabilerer Garant für den Weltfrieden (Was genau ist das eigentlich?) als die vermeintliche Freiheit und Herrschaft des rechtsfreien, "internationalen" Raumes im Netz der sozialen Medien und des schriftlich, bildlich oder filmisch geteilten Lebens? Die Antwort wird wohl die Zukunft bringen.
Ich möchte mit diesen Zeilen meine Ideen und Ansätze darlegen, die sich mit der Behauptung und der aus ihr hervorgehenden sorgenvollen Frage (der Überschrift) befassen. Ich bin kein Wissenschaftler im Bereich Politik, Soziologie, Medienwissenschaft... Ich bin ein Beobachtender, ein Fragender und ein Mensch, der sich sorgt, um die Menschlichkeit.
Staats-Fragmente in der virtuellen Welt
Es gibt aus meiner Sicht zusehends keine Werteordnungen mehr, die gehalten von den drei Gewalten miteinander ringen oder mit anderen Wertordnungen anderer Staatsform-Systeme in abgrenzendem Nebeneinander stehen. Die Staatsgrenzen und -formen der virtuellen Welt sind vollständig anders gezogen oder (un-)definiert oder aber in absoluter Auflösung begriffen?
Freiheit ist möglich. Ja, grenzenlos, sekundenschnell, allwissend.
Abhängigkeit, Verwirrung und Chaos ist allgegenwärtig.
Es gibt keine Legislative sprich internationale Gesetze für das Werte-Miteinander in der virtuellen Welt, die mit einer übergeordneten (aber nicht vorhandenen) Exekutive auch einhaltbar wären. Es gibt keine Judikative, die man anrufen könnte, fühlt man sich angegriffen oder verletzt. Es gibt nur Zensur, denn die "Rest-Judikative" (Entscheidung was rechtens ist und was nicht) liegt fataler Weise bei Unternhemen, die das Netz bauen und betreiben und nach Profit agieren. Und sie ist unbeaufsichtigt, weil physisch grenzenfrei und immateriell grenzübergreifend.
Das Individuum:
Es gibt zum Einen die Wild-West-Exekutive des JederMann und JederFrau, die wann und wie sie will auf Andere einprügeln, sie anschwärzen, mobben, diffamieren, verehren oder in den Himmel loben können mit Meldungen von willkürlichem Wahrheitsgehalt. Es findet sich immer ein Studie, ein Medium, ein Experte, der dieses oder jenes belegt. Das war schon immer so. Aber es gibt einen erheblichen Unterschied:
Denn heute wie damals gibt es milliardenfache Laien. Das ist nicht wertend gemeint. Ich selbst bin in vermutlich 1000 Berufen absoluter Laie, denn ich bin beschränkt und mein Gehirn ist im Gegensatz zu meinem Handyspeicher nicht alle 2 Jahre im Laufe meines Vertrages mit den göttlichen Instanzen austauschbar bzw. updatebar. Göttliche Instanz sei Dank!
Diese menschlich einzigartigen und wunderbaren Laien aber müssen nun mit einem Dämon umgehen. Es ist die permanente und unbeschränkte Verfügbarkeit jedweder einfachen oder anspruchsvollen Wahrheit oder Erklärung zu einem Thema. Diese stellt aber auch nur eine Meinung oder scheinbare Wahrheit (einer als kompetent eingeschätzen Institution?) für ihre Sicht auf die Welt dar. Und das eben, weil sie verfügbar ist, oder besser, irgendwo von irgendwem aus absolut unklarem Interesse geteilt wird.
Die Medien:
Zum Anderen sind dort die arrivierten, klassischen Medien, Instanzen, angestaubte Eminenzen der Informations- und Meinungswelt, die einen Weg finden müssen, in einer Welt der unendlichen Verfügbarkeit von Wahrheit, die richtige und möglichst eine Wahrheit frei zu legen und dann über eben die gleichen Kanäle und zugleich neben die Wild-West-Exekutive, der geteilten Einzelwahrheiten zu platzieren. Wirklich kein einfacher Job, erst Recht nicht, wenn im Netz nichts etwas kosten soll und die Redakteure dementsprechend auch nichts mehr verdienen dürfen.
Was ist und wie geht dann noch Teilen in diesem virtuellen Kosmos aus Affenzahn und Multiwahrheit?
Vom unsichtbaren Teilen - der eigentliche Virus!
Die Menschen teilen nicht mehr im Kontakt des Gegenüber sondern im Sog aus mannigfaltiger Wahrheit und Angst einfach aufs Gratewohl. Teilen wird Sekunden schnelles "Raushauen" einer gefährlichen Melange ohne einen gehaltenen Rahmen.
Teilen setzt Verantwortung für die Kraft und den Einfluss des Geteilten voraus.
Vor allem aber braucht es die 80% Informationsweitergabe über die eigene Gesichtsmimik und das Aufnehmen der wortlosen Reaktion über die 80% Gesichtsmimik des Partners auf der anderen Seite.
Ansonsten ist Teilen ein Austausch auf 20% Ebene. Dabei gehen Emotionen, Gefühle, Ängste, Erschrecken, Wut und vor allem das Mitgefühl verloren oder mischen sich auf fatale Weise mit Informationen unterschiedlichster Art.
Das hochgefährlche Potential entsteht dabei durch die Mischung von Informationen, die von einer wissenschaftlichen Studie bis zu plakativen Darstellung eines Enzelschicksales reichen.
Das Mitgefühl ist dabei der Zarteste aller Werte, so häufig überlagert von Angst und vor allem Scham. Und doch ist genau dieses Mitgefühl vermutlich fast immer in den 80% der Gesichtsmimik versteckt und damit nicht transportierbar in einer virtuellen Welt von 120 Zeichen, Parolen und Mixturen aus Information und Angst.
Zeit als Brandbeschleuniger
Die Geschwindigkeit der Ausbreitung ist dabei der absolut entscheidende Faktor.
Vor dem Lesen einer Zeitung in den 60iger, 70iger oder 80iger Jahren braucht es mitunter 24 Stunden ehe eine Meldung über einen Ticker beim Journalisten, von dort in der Redaktion und dann auf der Druckplatte und dann über die Auslieferung und den Verkauf bei der Leser*in ankam. Es gab Zeit für FÜR und WIDER im Kopf und physischen Gegenüber verschiedener Menschen ehe die Information quasi "ordentlich verdaut" nach draußen ging.
Die Leser*in hat dann innerhalb von weiteren 24 Stund vielleicht mit 2 bis 5 Menschen über diese Nachricht, das Ereignis gesprochen und dabei mit großer Wahrscheinlichkeit auch zum Teil im physischen Gegenüber.
In Zeiten des Liveblogs "berichten" Menschen in hoch emotionalen Situationen und Prozessen ohne eine Reflektion durch Andere in Sekunden vom Ort des Geschehens.
Und dieser "Bericht", "ungenügend verdaut" durch die menschliche Eigenschaft, Emotion und Faktum in kurzer Zeit und angespannter Lage nicht trennen zu können, wird dann ebenso schnell von den Leser*innen wieder an 5-1000 andere Menschen geteilt. Und so fort.
Die angespannte Lage und Emotion der zu berichtenden Sachlage wird dadurch wie in einem Strudel weiter erhöht. Aus der Sachlage wird eine Gefühlslage mit Informations-Bruchstücken.
Wenn "stille Post" früher ein Spiel war, so scheint es heute ein Menetekel des fortwährenden Missverstehens zu sein. Die Sprach- Informations- Moral- und Schamgrenzen wie die Landesgrenzen sind offen und nicht mehr relevant. Die menschlichen Grenzen aber von Hören, Aufnehmen, Verarbeiten, Erkennen und Lernen verändern sich nicht im gleichen Maße mit.
Die Einheit für die Effektivität das Weiterreichen einer Emotion, eines Bildes, welches dann zu einer Art Wahrheit wird nennt sich Twitter. Ein Zeitungsartikel in den 80igern hatte eine Effektivität von etwa 80 MikroTwitter. Eine Nachricht, nein sagen wir eine Äußerung, von Donald Trump hat eine Effektivität von etwa 4TeraTwitter.
Was also für Möglichkeiten gibt es?
Der absolut notwendige Impfstoff
Mit der exponentiellen Möglichkeit und der enormen Geschwindigkeit des Teilens von eben jener virulenten Mischung aus Informationen und Gefühlen, ohne in allen sozialen Medien und Foren das Gesicht beim Senden oder Aufnehmen zu zeigen, müsste geometrisch das VerantwortungsBewusstsein, die Langsamkeit und das Mitgefühl wachsen, damit das System im Gleichgewicht bleibt.
Langsamkeit setzt inne halten und einen Schritt Abstand nehme voraus. Dies bietet Raum für Abwägung und abkühlen lassen. Das wiederum ermöglicht das Aufspalten von Meinung, Information und Emotion. Danach ist Raum für inneren und äußeren Diskurs von Angesicht zu Angesicht. Mit Glück und Chance ist sogar ein Erkennen und Lernen möglich.
Und dann , dann erst!, kann das Teilen beginnen.
Das aber scheint nicht zu geschehen.
Der Impfstoff für diesen Virus kann nur aus dem Wirt selber entstehen, der befallen ist. Jedem und Jeder Einzelnen also, die in diesem Netz teilt und aufnimmt.
Ganz konkret bedeutet das, so anachronistisch und unmöglich das scheint, langsam zu sein, im Aufnehmen, inneren Bewegen und äußerem Weitergeben.
Welche Mittel also verbleiben in diesem System des virtuellen Kreislauf der schnellen Wertungen auszusteigen, ohne ihn gänzlich zu verlassen? Wie wäre es, Verantwortung, Langsamkeit und Mitgefühl in sehr vielen kleinen oder größeren Dosen zu injezieren, zu pflanzen und das jeden Tag bei mir selbst zu üben?
Möglichkeiten für den Ausstieg aus dem virtuellen Kreislauf:
Nicht Verwechslung von Informationen und Wahrheit
Vermeiden der Vermischung von Informationen und Angst
Sehr dosierter Umgang mit Worten wie Wahrheit, Lüge oder Leugnung
Kommunikation im Angesicht (160% Gewinn an Wahrnehmung von einander!)
Respekt vor Angst, Unsicherheit und Scham des Gegenüber. Sie sind die Triebfedern von so Vielem und stehen häufig hinter Meinungen.
Verringerung der Geschwindigkeit des Teilens Nachfragen, Vermutungen klären, einmal schlafen, Pause machen
Aufspalten von Information, Meinung und Emotion vor dem Teilen
Erkenntnisse und Folgerungen entstehen lassen und erst nach reiflichem Abwägen in die breite Öffentlichkeit geben
Dein Gegenüber, auch wenn er virtuell sein mag, ist ein Mensch, der mit Scham und Sehnsucht nach Glück und GESEHEN werden unterwegs ist!!!
Je nachdem aus welcher Perspektive man auf diese Möglichkeiten schaut, wirken sie revanchistisch, total simpel und möglicher Weise absolut old school oder aber wie Revolution, die von einem Mönch aus der Entschleunigung hinter Klostermauern beschworen wird.
Gleich wohl scheinen sie mir die einzige "rote Pille" zu sein, die hilfreich ist, menschlich zu bleiben im sogenannten Informationszeitalter!
TIPPs für praktisches langsam, wach und mitfühlend bleiben:
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